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Cash, 27. Juni 2003
Priscilla Imboden

"Cash" ist das erste wöchentlich erscheinende Wirtschaftsmagazin der Schweiz. Es hat das Äußere eines Tabloids, farbige Grafiken und bringt gründlich recherchierte Artikel über schweizerische und internationale Wirtschaftsthemen. "Cash" hat mit uns ein Interview über Ausländer, die sich in der Schweiz niederlassen, geführt.

Bald drohen Zustände wie an der Côte d'Azur

Ein Fachmann erklärt, wer in die Schweiz zieht.

François Micheloud berät mit seiner Firma Micheloud & Cie. in Lausanne reiche Personen, welche in die Schweiz ziehen möchten. Nun erlebt er einen regelrechten Ansturm.

CASH: Herr Micheloud, mit den bilateralen Verträgen ist der Zuzug in die Schweiz einfacher geworden. Merken Sie das?

François Micheloud: Wir erleben momentan einen unglaublich grossen Andrang. Wir empfangen in letzter Zeit enorm viele Engländer, Franzosen und Skandinavier. Vorher war es nicht so einfach, sich in der Schweiz niederzulassen. Um die Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, musste man mindestens 55 Jahre alt sein und über ein Einkommen von mehr als 100 000 Franken im Jahr verfügen. Jetzt kann man bei 50 000 Franken die Aufenthaltsbewilligung erlangen. Folglich melden sich auch Leute wieder bei uns, welche uns früher kontaktiert haben, denen der Zuzug aber damals zu kompliziert war.

CASH: Was bieten Sie Ihren Klienten?

François Micheloud: Die ganze Palette: Wir organisieren die Aufenthaltsbewilligung, finden eine geeignete Gemeinde und eine Liegenschaft. Das geht bis hin zur Gasinstallation.

CASH: Kommt es auch zu Spezialwünschen?

François Micheloud: Ja, jemand wollte seine Kinder zu Hause erziehen, und ich klärte ab, ob das möglich ist. Eine andere Person brachte eine Klapperschlange mit, andere besitzen grosse Kunstsammlungen und ganze Weinkeller, die sie in die Schweiz bringen möchten. Ab einem gewissen Betrag muss verhandelt werden.

CASH: Wie wichtig sind steuerliche Überlegungen?

François Micheloud: Ohne die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung würden weniger Leute in die Schweiz ziehen. Da gibt es natürlich je nach Kanton Unterschiede. Doch auch andere Faktoren spielen eine Rolle: die Sprache, Schulen für die Kinder, öffentlicher Verkehr, Nähe zum Flughafen. Wenn es nur um die Steuern ginge, würden alle nach Monaco ziehen, denn dort zahlen sie nichts.

CASH: Welche Kantone sind am günstigsten?

François Micheloud: Wir arbeiten hauptsächlich im Waadtland, in Genf und im Wallis. Für die Pauschalbesteuerung ist Genf eindeutig am teuersten. Denn die Liegenschaften kosten dort viel, der Kanton setzt eine hohe Mindestgrenze, und der Steuerfuss ist hoch. Doch viele Menschen lieben die Urbanität und das internationale Flair der Stadt. Im Waadtland können sich hingegen auch weniger reiche Leute ansiedeln. Auf jeden Schumacher gibt es 100 bis 200 kleine Industrielle, welche hier ihren Ruhestand verbringen möchten. Am günstigsten ist das Wallis, dort sind die Behörden auch am dynamischsten. Der Kanton eignet sich am ehesten für kinderlose Leute.

CASH: Beschreiben Sie einen typischen Fall.

François Micheloud: Ein Engländer, der seine Firma verkaufen will. Sein ganzes Leben lang hat er 50 Prozent Steuern gezahlt. Beim Verkauf müsste er nochmals draufzahlen. Wenn er hingegen in die Schweiz zieht, kann er es vermeiden, 50 Prozent von der Frucht seiner Lebensarbeit abzuliefern.

CASH: Die Gemeinden können gegen den Zuzug eines reichen Ausländers das Veto einlegen. Kommt das vor?

François Micheloud: Das habe ich noch nie erlebt. Doch es könnte sein, dass die Schweizer Bevölkerung beim gegenwärtigen Ansturm argwöhnisch wird. Für uns ist er natürlich gut. Man könnte sich aber in der Tat fragen, ob wir wie die Côte d'Azur enden wollen.

Fiskale Bellavista für Ausländer

Immer mehr wohlhabende Ausländer verlegen ihren Wohnsitz in die Schweiz und entziehen ihr Geld dem Fiskus ihres Heimatlandes.

Nicht nur Prominente wie Tina Turner oder Bernie Ecclestone ziehen in die Schweiz. Dank den bilateralen Verträgen strömen vermögende EU-Bürger mit weniger klingenden Namen ins Land. Es lockt eine helvetische Spezialität: Die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer.


PRISCILLA IMBODEN

Das Thema war trocken und der Tag brütend heiss. Trotzdem war der Saal bis auf die letzten Plätze gefüllt. Das am Dienstag von der Bank Leu organisierte Internationale Steuerseminar entsprach offensichtlich einem Trend. Aufmerksam hörten die anwesenden Steuerexperten und Anwälte den Referaten über steuerliche Fragen beim Zuzug aus Deutschland zu.

Dies kommt nicht von ungefähr. Mit dem In-Kraft-Treten der bilateralen Verträge mit der EU wurde es für EU- und Efta-Staatsangehörige viel einfacher, als nicht erwerbstätige Person in die Schweiz zu ziehen. Bisher war die Bedingung, dass man mindestens 55 Jahre alt war und ein stattliches Einkommen mitbrachte. Jetzt - das heisst seit 1. Juni 2002 - geht das einfacher: EU/Efta-Staatsangehörige haben ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz, sofern sie über einen gültigen Personalausweis, über genügend eigene Mittel verfügen, sodass sie nicht von der Fürsorge abhängig werden. Des Weiteren müssen sie gegen Krankheit und Unfall versichert sein. Arbeiten sie nicht, so unterliegen sie nicht der Kontingentierung. Die Folge davon ist, dass das Interesse am Zuzug in die Schweiz sprunghaft ansteigt. «Wir haben in letzter Zeit massenhaft Anfragen», bestätigt Richard Wuermli, Managing Partner der Firma Tax Expert International AG in Zürich. Deutsche Staatsbürger interessieren sich vor allem für die Steuerparadiese in der Mittel- und Ostschweiz, Franzosen und Briten bevorzugen die Westschweiz.

Die Zuzugswilligen profitieren nicht nur von der schönen Landschaft, den guten Schulen und Infrastrukturen und der zentralen Lage in Europa. Was die Schweiz für sie besonders attraktiv macht, ist die so genannte Pauschalbesteuerung (siehe Kasten). Sie lässt zu, dass die Steuerpflichtigen nur auf Grund ihrer Lebenshaltungskosten besteuert werden. Als Mindestbetrag der Besteuerungsgrundlage gilt der fünffache Wert der Immobilien, welche die betreffende Person in der Schweiz besitzt oder mietet. Das führt bei sehr hohen Einkommen und Vermögen zu einer äusserst vorteilhaften Besteuerung. Als Beispiel: Der in Gstaad wohnhafte Formel-1-Besitzer Bernie Ecclestone zahlt Steuern auf einem Einkommen von 781 500 Franken und einem Vermögen von 3,3 Millionen. Sein wirkliches Vermögen liegt laut Bilanz-Schätzungen bei 5 Milliarden. Er ist einer von mehr als 3400 Personen, welche in der Schweiz pauschal besteuert werden. (siehe Tabelle)

Das Wallis versucht aktiv, reiche Leute anzusiedeln

Als erster Kanton registriert das Wallis eine starke Zunahme der Pauschalbesteuerten, von 600 vor zwei Jahren auf heute 700 Personen. Dies ist nicht zuletzt Folge einer aktiven Politik: «Wir weisen darauf hin, dass das Wallis ein attraktiver Standort ist», erklärt Finanzdirektor Wilhelm Schnyder. In erster Linie werden Leute kontaktiert, welche bereits seit Jahren im Wallis Ferien machen und bald pensioniert werden. Ein wichtiges Argument sind auch die fehlenden Erbschaftsteuern für die direkten Nachkommen. «In letzter Zeit ziehen jährlich 50 bis 60 Leute, welche die Pauschalbesteuerung beantragen, hierher», erklärt Gilbert Salamin, Chef der Steuerverwaltung, «dies nicht nur aus steuerlichen Überlegungen. Sie schätzen die Sicherheit, die Ruhe, die Natur und die Qualität der Spitäler.» Diese Personen bringen dem finanzschwachen Kanton willkommene 13 Millionen Franken ein, was jedoch nur etwa drei Prozent des gesamten Steueraufkommens ausmacht. Für die Gemeinden Bagnes (um Verbier) und des Haut-Plateau (um Crans-Montana), welche den stärksten Zulauf erleben, haben die reichen Zuzügler ein grösseres Gewicht. «Sie machen mittlerweile einen Achtel unserer Steuereinnahmen aus», bestätigt Fernand Nanchen, Präsident der Gemeinde Lens.

In anderen Kantonen zeigt sich das gestiegene Interesse am Wohnsitz Schweiz vorerst in Form von häufigeren Anfragen. «Wir hatten im letzten Jahr zwischen 20 und 30 Anfragen», bestätigt Hansruedi Buob, Leiter der Luzerner Steuerverwaltung. Der Kanton begrüsse dies, betreibe aber keine aktive Werbung. Auch der Kanton Sankt Gallen registriert ein zunehmendes Interesse. «Die gesetzlichen Bestimmungen und die Situation in Deutschland erzeugen schon einen gewissen Druck», stellt Adolf Eisenring von der Sankt-Galler Steuerverwaltung fest, «wir informieren Treuhandgesellschaften mit Töchtern in Deutschland über die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung.» Der Kanton Nidwalden gewann in letzter Zeit ebenfalls an Attraktivität. «Wir haben auf 2001 ein neues Steuergesetz verabschiedet», erklärt Martin Hürzeler vom Steueramt, «es ist sehr attraktiv und beinhaltet neu das absolute Steuergeheimnis. Deshalb haben wir jetzt viele Anfragen aus der EU, aber auch aus anderen Regionen in der Schweiz.»

«Playboy-Klausel» eröffnet neue Möglichkeiten

Knackpunkt für die Kantone stellt dar, dass wegen der bilateralen Verträge eine Art «Playboy-Klausel» eingeführt wurde: Auch jüngere Vermögende aus EU- und Efta-Staaten können die Pauschalbesteuerung beantragen, da sie ein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung haben. Voraussetzung ist jedoch, dass sie in der Schweiz nicht erwerbstätig sind. Dazu meint Stephan Stauber, Vorsteher der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz, wo es übrigens weder Erbschafts- noch Schenkungssteuern gibt: «Wir haben ein Deklarationssystem auf Vertrauensbasis. Das wird aber später überprüft.» Die Grauzone ist gross: Laut einem Bundesgerichtsentscheid liegt die Beweislast bei den Schweizer Behörden, dass die Person erwerbstätig ist. Ein nicht genannt werden wollender Steuerberater kennt den Fall eines Mannes, der pauschal besteuert wird, obwohl er für eine Schweizer Holding arbeitet - weil diese ihr Geld im Ausland erwirtschaftet. Auch im Kanton Wallis sucht man nach Möglichkeiten, das Wissen und die Erfahrung der Zuzügler der regionalen Wirtschaft zugute kommen zu lassen. Fernand Nanchen: «Teilweise können diese Leute im Wallis investieren oder in Form von Beratern den heimischen KMU beistehen. Das sollte vermehrt gefördert werden.»

Die Flucht aus einer Steuerhölle ist aber nicht immer ohne weiteres möglich. Vielen Ländern ist die schweizerische Steuerpraxis ein Dorn im Auge. Einige Länder - u. a. Deutschland - üben ein Nachbesteuerungsrecht für Wegzügler aus. Dies kann zur Folge haben, dass der Wegzügler keine Steuerersparnis erzielen kann. Ein deutscher Staatsbürger kann folglich weiterhin in seinem Heimatland steuerpflichtig bleiben, falls er beim Wegzug nicht entsprechende Vorkehrungen trifft. Auch zu beachten ist, dass gewisse Länder wie Deutschland, Belgien, Italien, Norwegen und Österreich keine Rückerstattung von z. B. auf Zinsen und Dividenden erhobenen Quellensteuern gewähren, sofern die Person in der Schweiz pauschal besteuert wird. «Wir raten in solchen Fällen oft die modifizierte Pauschalbesteuerung an», erklärt Richard Wuermli von Tax Experts International AG, «das heisst, dass Einkünfte aus diesen Ländern ordentlich besteuert werden müssen, sofern die ausländischen Quellensteuern zurückgefordert werden sollen.» Was Erbschafts- und Schenkungssteuern angeht, wird den Klienten die kluge Wahl des Kantones und der «Abbruch aller Brücken» nahe gelegt. So weit wollen viele Leute aber nicht gehen.

Nicht alle freut die Schweizer Steuerregelung

Nicht selten stellt sich die Frage, ob eine solche Besteuerung zulässig ist. Schliesslich profitieren davon nur Vermögende, die keine Schwierigkeiten haben, ihren Obolus an den Fiskus abzuliefern. Der Genfer Nationalrat Christian Grobet (AdG) verlangt in einer Motion die Abschaffung der Pauschalbesteuerung. Die «Ungleichheit vor der Steuer sei für all jene Steuerzahler schockierend, welche ihre Steuern normal bezahlen.» Ausserdem habe die Schweiz kein Interesse daran, Personen anzuziehen, welche «nur aus dem Grund in die Schweiz ziehen, um zum Schaden ihres Heimatlandes Steuerflucht zu begehen». Der Bundesrat lehnt den Antrag ab und schreibt, die Pauschalbesteuerung stelle «kein Instrument zur Förderung des internationalen Steuerwettbewerbes» dar. Die Schweiz setze sich dafür ein, dass sie «nicht zweckentfremdet oder missbraucht wird.» Das Geschäft geht nun ans Parlament. Ohne Druck aus dem Ausland ist es jedoch kaum denkbar, dass die Schweiz von ihrer Sondersteuer Abschied nimmt. Sie bringt trotz minimalistischer Bemessung willkommenes Steuermanna - und einen Hauch von Luxus.

Ahmed Saki el-Jamani, der frühere saudische Erdölminister, lebt in Crans-Montana und verfügt über 300 bis 400 Millionen Franken.

Ingvar Kamprad, Ikea-Besitzer und mit 14 bis15 Milliarden Franken Vermögen der reichste «Schweizer», wohnt in Epalinges VD.

Tina Turner lebt in einer Villa in Küsnacht ZH. Ihr geschätztes Vermögen beträgt zwischen 200 und 300 Millionen Franken.

Athina Onassis, einzige Erbin der wohlhabenden griechischen Reederfamilie (4-5 Milliarden), wohnt bei Morges.

Der 5 Milliarden Franken schwere Bernie Ecclestone, Formel-1-Besitzer, lebt seit Jahren in Gstaad BE.

Sonderfall

Die Pauschal- oder Aufwandbesteuerung wurde 1948 eingeführt, um kantonale Steuerabkommen zu begrenzen und das Steuergeheimnis zu schützen. Sie war für Rentner vorgesehen, welche Infrastrukturen nicht beanspruchen, und basiert folglich auf deren Lebenshaltungskosten im In- und Ausland. Anrecht auf Pauschalbesteuerung haben ausländische Staatsbürger, die nicht in der Schweiz erwerbstätig sind. Ihre Steuerleistung darf nicht kleiner sein als der Betrag, den sie für ihr in der Schweiz gelegenes Vermögen und dessen Einkünfte als ordentliche Steuer entrichten müssten. Einberechnet werden theoretisch Kosten für Essen, Kleider, Personal, Autos usw. Einfachheitshalber gilt oft das Fünffache des Mietzinses oder des Eigenmietwertes der Wohnung als Bemessungsgrundlage.

3400 pauschal besteuerte personen

Personen Einkommen Steuereinkommen
KantonAnzahl PersonenMindestgrenze jährliche EinkommenDurchschnittlich angestrebtes Steuereinkommen
GE600 300 000 100 000
VD1000 150 000 30 000
VS700 150 000 50 000
BE100 200 000 62 000
ZH100 350 000 125 000
ZG50 200 000 50 000
SZ50 700 000 150 000
TI500 150 000 35 000
GR200 - 300Keine Angabe70 000
SG20 240 000 75 000

Quelle: Steuerverwaltungen, Tax Expert International AG


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